Hamillessons: Erster Akt
20.05.2021
Um das Erlebnis dieses Blogeintrags zu verbessern, empfehlen wir, die in kursiv stehenden Lieder des Musicals Hamilton zum passenden Zeitpunkt einzuschalten. Vielen Dank und viel Vergnügen wünscht ihr Annalogie Blog!

Alexander Hamilton
Herzlich willkommen zu den Hamillessons, dem Crossover zwischen Hamilton und Ratschlägen zu Zeitmanagement, Organisation und mehr. Was können wir aus den Lyrics des Tony-prämierten Musicals lernen und in unser tägliches Leben integrieren und was davon sollte man nicht allzu wörtlich nehmen? Hier erfahrt ihr meine persönlichen "Hamillessons", heute zu Akt 1 des Musicals.Eine kleine Einführung
Für alle, das Musical nicht kennen: Hamilton ist ein Musical von Lin-Manuel Miranda (auch Komponist und Texter von "In the Heights" oder "Vaiana"), das 2015 seine Broadway-Premiere feierte. Das Musical bringt Hip-Hop auf die Musical-Bühne und handelt vom amerikanischen Gründungsvater Alexander Hamilton und wird durchgehend über die Musik erzählt. Klingt nach einer verrückten Mischung, die aber sehr erfolgreich ist: Hamilton wurde mit elf Tony Awards ausgezeichnet, darunter bestes Musical, und die Aufnahme des Musicals mit originaler Besetzung ist seit Sommer 2020 auf Disney+ verfügbar.
Ich persönlich finde auch, dass es bei jedem Hören immer etwas Neues zu entdecken gibt, ein Motiv, einen Reim oder eine geniale Lyric, die einem vorher nicht aufgefallen ist. Diese Möglichkeit das Musical immer noch mal neu für sich zu entdecken ist einer der Gründe, warum es mein Lieblingsmusical ist. Viele weitere erfahrt ihr dann im Laufe der Hamillessons.
Erster Akt
Disclaimer: Dies ist eine unvollständige und subjektive Aufführung und sie enthält Spoiler. Bitte tut euch den Gefallen und schaut oder hört das Musical vorher. Ich habe euch gewarnt.
Aaron Burr, Sir/ My Shot
Schon im zweiten Song des Musicals wird uns direkt Rat von Aaron Burr angeboten: "Talk less. Smile more." Es wird direkt etabliert, dass Burr derjenige ist, der eher abwartet, was andere tun, bevor er seine eigenen Motive und Meinungen preisgibt (wenn er es überhaupt tut). Wie wir im Verlauf der Beziehung zwischen Aaron Burr und Alexander Hamilton sehen, ist das genau der Konfliktpunkt zwischen den beiden, der sich über das Musical hinweg wandelt. Im nächsten Song "My Shot" singt Hamilton nämlich genau vom Gegenteil: "I am not throwing away my shot." Zu Anfang des Musicals ist Hamilton der Macher und Burr der, der lieber abwartet. Leider kann man nicht pauschal sagen, wann welche Einstellung die bessere ist, aber beide haben in verschiedenen Situationen ihre Daseinsberechtigung. Manchmal hilft es abzuwarten, was andere tun und nicht schon unnötige Energie auf etwas zu verwenden. Aber dauerhaft abzuwarten und Dinge nicht anzupacken, ist auch nicht die Lösung. Dieser Konflikt zwischen Abwarten und Machen gibt es also immer wieder im Leben und wahrscheinlich hilft vor allem die eigene Erfahrung und die Erfahrung anderer dabei, abzuschätzen, ob man gerade eher Burr oder eher Hamilton sein sollte.
Wait for It
Ich könnte einen eigenen Blogeintrag nur über diesen Song schreiben, weil er einfach mein Lieblingssong im ganzen Musical ist und einen so eindringlichen Charakter hat. "I am the one thing in life I can control. I am inimitable, I am an original." ist wahrscheinlich meine Lieblingslyric aller Zeiten. Wir können nämlich immer nur uns selbst, unsere Reaktionen und Handlungen kontrollieren, nicht aber, was andere sagen oder welche Entscheidungen sie treffen. In "Wait For It" wird auch nochmal stärker kontrastiert, wie Burr Hamiltons Erfolg abwartet, in dem Wissen, dass sein Tag noch kommen wird. Im Interview mit "The New Yorker" beschreibt Lin-Manuel Miranda selbst: "I think we've all had moments where we've seen friends and colleagues zoom past us, either to success, or to marriage, or to home-ownership, while we lingered where we were […]. And you tell yourself: 'Wait for it.'" Von daher ist Wait for it nicht nur die wartende, kalkulierende Perspektive von Burr: Für mich zeigt es auch, dass Prozesse und Veränderungen Zeit brauchen und wir die Dinge in unserem Tempo machen. Meine Arbeit wird sich auszahlen und bis dahin sag ich: "I'm willing to wait for it."
That Would Be Enough
Ich glaube, wir alle könnten ein bisschen Eliza in unserem Leben gebrauchen. In "The Schuyler Sisters" singt sie schon zusammen mit ihren Schwestern: "Look around at how lucky we are to be alive right now." In "That Would Be Enough" ergänzt sie dann noch: "That would be enough". Und genau das ist der Punkt: Das, was wir haben, ist meistens schon genug. Sie ist zufrieden mit ihrer Ehe und dem Leben, was sie führt und möchte einfach nur ein friedliches Leben mit ihrer Familie führen. Natürlich ist das nicht für jeden und nicht in jeder Situation das passende Ziel, aber wahrscheinlich könnten wir alle ein bisschen dankbarer sein, für das was wir haben, anstatt immer nur darauf zu schauen, was wir nicht haben, oder?
Non-Stop
"Why do you write like you're running out of time?" Ja, manchmal ist es notwendig oder einfach sinnvoll kurzfristig viel Arbeit in ein Projekt zu stecken (z.B., wenn man sie vorher tagelang prokrastiniert hat und nun die Deadline ansteht). Dass sich das "non-stop" Arbeitsverhalten auf Dauer nicht lohnt, sehen wir aber auch im zweiten Akt. Immerhin sind wir nicht Superwesen, die ohne Schlaf, Nahrung und Entspannung auskommen. Also passt auf, dass ihr nicht dauerhaft in ein "non-stop" Muster verfallt. Auf der anderen Seite gibt mir der Song auch Motivation weiterzuarbeiten: Ich meine, wenn Hamilton 51 Essays schreiben konnte, um die Verfassung der USA zu verteidigen, schaffe ich es auch eine Bachelorarbeit zu schreiben, oder?Bonus
Wenn man noch eins aus der Entstehungsgeschichte des Musicals mitnehmen kann, dann ist es, dass Ideen vielleicht erstmal für verrückt erklärt werden, aber das nicht heißt, dass sie nicht erfolgreich sein können. Trotzdem steckt viel Arbeit in der Entwicklung des Musicals, vom ersten Auftritt im Weißen Haus 2009 bis zur Broadway-Premiere. Aber wenn Lin-Manuel Miranda gehört hat, was für eine verrückte Idee es doch ist ein Hip-Hop-Musical über den Gründungsvater Alexander Hamilton zu machen, dachte er sich wahrscheinlich einfach: "Wait for it."